Vor einigen Tagen fiel mir, weil ich in meinem Trotz der Köpfigkeit verfiel, ein Titel ein: «ich bin ein Türkenjunge - eine Migrantographie!» Ich habe auch überlegt, ob ich nicht von einer «Automigrantographie» sprechen sollte. Viele der in der dritten Generation in Deutschland lebenden und schreibenden Migrantennachkömmlinge betreiben einen egomanen sozialen Realismus
und definieren ihre Schreiberei über ihre "Herkunft". Ob es Lyrik ist oder Prosa, die Hackerei auf der Tastatur, die keine Sachtexte hervorbringt, wird durch die Beschreibung dieser "Herkunft" und ihrer Folgen klassifizert, ist ein Teil der deutschsprachigen Literatur, aber eben keine deutsche Literatur. Wie die Autorinnen und Autoren stehen auch ihre Texte mit einem Bein in einer anderen
vermeintlichen Heimat, als hätten Menschen, die einen künstlerischen oder schriftstellerischen Weg einschlagen eine solche. Die Spießigkeit dieser bürgerlichen Schreibe, die sich nach Norm und Bravheit sehnt, führt zu dem Gefühl, endlich etwas Anerkanntes und Anerkennenswertes zu betreiben, was mich im Land der Dichter und Denker ins Zentrum der Akzeptanz führt. Auch das
ist ein Irrtum: im Land der Dichter und Denker hatten es Dichter und Denker schwer und daran hat sich nicht viel geändert. Wenn der kritische Blick fehlt, fehlt er meistens nicht nur auf einem Auge und in eine Richtung, da kann das Auge blicken, so weit es will, es wird nichts Kritisches und Kritikwürdiges entdecken. Es wird Kitsch gesehen, es wird Kitsch (re)produziert. Es sieht überall
Migrantographie ist natürlich kein Tourismus. Migrantographie ist eine Oberflächlichkeit, die im Gewand des Tiefsinns nach Anerkennung heischt. Und die Berliner Republik ist zu jeder Schand- und Heucheltat bereit, sich als libertär und tolerant, weltoffen und vielfältig zu geben, um in den Tiefen der braunen Strukturen unbehelligt zu bleiben. Daher lobt man jedwede Migrantographie
und definieren ihre Schreiberei über ihre "Herkunft". Ob es Lyrik ist oder Prosa, die Hackerei auf der Tastatur, die keine Sachtexte hervorbringt, wird durch die Beschreibung dieser "Herkunft" und ihrer Folgen klassifizert, ist ein Teil der deutschsprachigen Literatur, aber eben keine deutsche Literatur. Wie die Autorinnen und Autoren stehen auch ihre Texte mit einem Bein in einer anderen
vermeintlichen Heimat, als hätten Menschen, die einen künstlerischen oder schriftstellerischen Weg einschlagen eine solche. Die Spießigkeit dieser bürgerlichen Schreibe, die sich nach Norm und Bravheit sehnt, führt zu dem Gefühl, endlich etwas Anerkanntes und Anerkennenswertes zu betreiben, was mich im Land der Dichter und Denker ins Zentrum der Akzeptanz führt. Auch das
ist ein Irrtum: im Land der Dichter und Denker hatten es Dichter und Denker schwer und daran hat sich nicht viel geändert. Wenn der kritische Blick fehlt, fehlt er meistens nicht nur auf einem Auge und in eine Richtung, da kann das Auge blicken, so weit es will, es wird nichts Kritisches und Kritikwürdiges entdecken. Es wird Kitsch gesehen, es wird Kitsch (re)produziert. Es sieht überall
die romantisierte Wichtigkeit des eigenen kulturellen Umzugs, der eigentlich nicht stattgefunden hat.
Mich öden diese ganzen Migrantographien an.
Ich schreibe, wie ich schreibe, beeinflusst von einer Tradition, die nichts aber auch gar nichts mit meinem Geburts- und Herkunftsland zu tun hat. Was mich dort beeinflusst hat, sitzt mir in Fleisch und Knochen und es ist nicht gerade der liebste Teil meines Seins, aber natürlich gehören diese Dinge auch zu mir, aber ich mache keine Migrantographie daraus.
Wenn ich mit meiner Schreibe von Hölderlin, Hegel, Novalis und Nietzsche beeinflusst Freiheit thematisiere und womöglich noch Rudolf Steiner zitiere, höre ich schon den Deutschen von seiner nationalen Einheit beflügelt zu mir rufen: Türke, bleib bei deinem Halbmond! Die, die beim Halbmond bleiben, halten Atatürk für den Vater der Türken und die türkische Republik für einen modernen Staat, genießen das Essen, das Meer und dort erworbene Immobilien, fühlen
sich als "Deutsch-Türken" und nationalisieren mit Fähnchen und Festchen einer idealisierten türkischen Kultur hinterher, die ihr Selbstbewusstsein vom Osmanentum in verkitschter Version ableitet, haben nicht die leiseste Ahnung von einer freiheitlich gedachten Demokratie, genießen alle Vorteile, kümmern sich aber wenig um ihren Erhalt, geschweige denn Weiterentwicklung und halten, wenn sie denn ganz libertär werden, Erdogan für einen persönlichen Bösewichtund nicht für ein strukturelles Problem einer durch und durch antiaufgeklärten autoritären, chauvinistischen, patriarchalen Gesellschaft, die immer und immer wieder die ethnische Vielfalt leugnet wie die vielen begangenen Pogrome und die kleinen und großen Rassismen in der täglich gepflegten Kultur. Da können Kurden, Armenier ein Lied von Singen und Aleviten, egal welcher Ethnie zugehörig, können miteinstimmen.
Homophobie, Chauvinismus, autoritäres unterwürfiges wie unterdrückendes Denken und Handeln, mit Füßen getretene emanzipatorische Ansätze, die man im Keime zu ersticken trachtet -das ist die heißgeliebte «zweite Heimat» des Deutsch-Türken, den es in sein Paradies zieht, wenn es ihm in Deutschland zu braun wird.
Rechtsstaatlichkeit hat es in heutigen Zeiten ohnehin sehr schwer, die autoritäre Ordnungs- und Hygieneliebe setzt sich über alle freiheitlich demokratischen Regeln hinweg, unter den Deutsch-Türken ist der Ruf nach schneller Bestrafung groß, wenn es um faschistische Strömungen in Deutschland geht, aber sonst kann man gegen Unrecht schon mal ein Auge zudrücken, während die sogenannte «Mehrheitsgesellschaft» um keinen Deut besser, die NSU-Akten verschwinden oder unter Verschluss hält.
Dabei kennt kritisches Denken keine Grenzen und findet sich auch überall, und überall rekurriert man neben den Quellen des eigenen Sprachraumes auf internationale Literatur in Übersetzungen in Sprachen, die man versteht, ob es Marx ist, Brecht, Beckett oder Adorno, Nietzsche, Schiller oder Goethe, Stirner, Weber oder Simmel, der Namen gibt es viele, an denen sich der kritische Geist bildet gewiss mehr als ich aufzuzählen vermag, aber dies ist eine Frage der Intellektualität, die an keiner nationalen oder sprachlichen Grenze Halt macht, sondern nur gestoppt wird und in Insellage versetzt durch die Umbrandung der Dummheitsfluten. Auch diese kennen keine Grenzen außer jenen, die ihnen die Inseln setzen! Die gleiche Sprache sprechen heißt nirgends und niemals dieselbe Lexik und Grammatik beherrschen, sondern eine Geisteshaltung und ein Lebensgefühl teilen, ob auf Englisch, Französisch, Türkisch, Chinesisch, Deutsch oder Swahili.
Und dies ist ein Lebensgefühl, das Andersartigkeit nicht negiert und einzuebnen versucht, sondern in der Kommunikation mit dem anderen den Austausch und die Bereicherung sucht, sich zugleich gegen die Ausbeutung des Menschen und der Natur durch den Menschen sperrt... und natürlich idealisiere ich hier einwenig den Aufklärungs- und Humanismusrationalismus, dessen Realität auch aus Borniertheiten besteht.
Wanderungen und Begegnungen sind schön, wenn es kein Ablatschen von Sehenswürdigkeiten wird, wenn es die Begegnung sucht und offenen Sinnes ist und nicht touristisches Abfotografieren!
und lobhudelt jedes in Versen Gehackte als Lyrik bester Güte.
Da möchte man fast sagen: das ist doch schade um den Geist dieser Gesellschaft, aber diese Gesellschaft hatte nie einen Geist und war 12 Jahre von allen guten Geistern verlassen im Größenwahn, dann etwas abgemildert im Wirtschaftswunder, dann in Multikultieuphorie mit piep, piep, piep, wir haben alle lieb! Und dann in der geistig-moralischen Wende einer Birne in Saumagen usw. usf. Für den Emporkömmling, der es nach dem Jurastudium irgendwann zum Berater eines modernen russischen Zaren brachte, möchte ich nicht einmal Worte finden!
Aber wem es der Geistlosigkeit einer Nation wegen allzu traurig ums Herzeleinchen wird: da ist ja eine Pfarrerstochter mit Herz, die sich als Mutti in Staatsräson gibt. Die guten Geister werden in Preisnamen umgemünzt, selbst ein Revolutionär wie Büchner muss für eine Besänftigungs- und Korrumpierungscampagne den Namen hergeben, und damit völlig verharmlost sein, obwohl ich doch auch mit Wehmut an einen großartigen Lyriker denken
muss, der in seiner Preisverleihungsrede sich und das Auditorium vor die Frage stellte: wo wäre eigentlich Büchner heute gewesen? Für wohlmeinende Ignoranten sei es noch einmal gesagt: Gehenkt im Stammheimer Hochsicherheitstrakt!
Der Geist ist ein Außenseiter und daher ein kleines Resümee: wenn es eine Migrantographie geben soll, dann bitte eine über die Diaspora kritischen Denkens!
Aber wer sollte sie schreiben, bitte schön?
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